Lieber Herr Jenett,

so, ich habe genug. Um 9.24 Uhr lief gestern die Meldung in der Redaktion ein: »Tödlicher Radunfall in Hamburg«. Ein 76-jähriger Mann fuhr auf dem Radweg der Rüterstraße in Wandsbek stadteinwärts, ein Müllwagen wollte rechts abbiegen, der 22-jährige Fahrer übersah den Mann auf dem Fahrrad – und der war kurz darauf tot. Die Kreuzung gilt nicht als Unfallschwerpunkt, der Lastwagen, der im Auftrag der Stadtreinigung unterwegs war, verfügt nicht über ein Abbiegeassistenzsystem. Ein Fahrzeug dieser Firma hatte 2014 schon einmal einen tödlichen Fahrradunfall verursacht, neue Lastwagen werden seither grundsätzlich nur noch mit 360-Grad-Kameras bestellt, sagte der Geschäftsführer der »Mopo«. Der Laster, unter dessen Rädern der 76-jährige Mann starb, war vorher angeschafft worden.

Ich bin kein Freund von Aktionismus, wirklich nicht. Ich kenne die Statistiken, wonach die Zahl der Verkehrstoten rückläufig ist, auch in Hamburg. Ich habe mein Handwerk bei einer Zeitung gelernt, in deren Verbreitungsgebiet Motorradunfälle im Sommer derart häufig sind, dass wir beim Sonntagsdienst dafür immer schon mal auf Verdacht Platz auf den Seiten freigehalten haben – ich bin also auch nicht sonderlich zart besaitet. Aber wie oft soll das noch passieren? Jedes Mal, wenn ich hier im Elbvertiefungsbüro die Zeile »tödlicher Fahrradunfall« lese, gehe ich im Kopf in Sekundenbruchteilen all die Leute durch, die mir wichtig sind und bei denen ich nicht ausschließen kann, dass sie gerade mit dem Fahrrad in Hamburg unterwegs waren, und ich denke nur: »Hoffentlich nicht.« Kennen Sie das?

Aber ich will hier gar nicht auf die Tränendrüse drücken. Für eine Stadt mit so ehrgeizigen (man könnte auch sagen: hochtrabenden) Konzepten zum Thema innerstädtische Mobilität, eine Stadt, die zuletzt vier Millionen Euro ausgegeben hat, um sich von einer Werbeagentur als fahrradfreundlich darstellen zu lassen – für eine solche Stadt ist es eine Schande und eine Blamage, dass hier in einer solchen Häufigkeit Radfahrer im Straßenverkehr sterben. Gute Verkehrspolitik fängt nicht erst bei selbstfahrenden S-Bahnen an.

Ich weiß, Sie mögen es nicht so gern, mit tödlichen Fahrradunfällen geweckt zu werden. Verstehe ich gut. Sorgen wir also dafür, dass dies das letzte Mal war. Ich warte gespannt auf die nächste Bürgerschaftssitzung.