Super Parking

PARKPLÄTZE

„Man kann aus Autos keine Luft rauslassen“

Müssen die Parkplätze mit den immer größeren Fahrzeugen wachsen? Ja, findet die einflussreiche Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen und passt ihr Bemessungsfahrzeug an SUV-Maße an. Wissenschaftler und Zivilgesellschaft präsentieren einen Gegenentwurf, der sich an Bekleidungsgrößen orientiert.

Jutta Maier

von Jutta Maier

veröffentlicht am 29.09.2022

Autos wachsen seit Jahrzehnten: 1978 war der VW Golf im Schnitt 1,63 Meter breit und 3,83 Meter lang. 2009 maß das populäre Modell bereits 1,78 mal 4,19 Meter. Ginge der Trend so weiter, würde der VW im Jahr 2040 stolze 1,93 mal 4,60 Meter messen. Generell steigen immer mehr Pkw-Nutzer auf größere Modelle um. In diesem Jahr haben SUV in Deutschland einen Marktanteil von knapp 40 Prozent an den Neuzulassungen erreicht. Und trotz aller Debatten um Klimaschutz und Verkehrswende nimmt auch die Pkw-Dichte immer weiter zu: Sie stieg von 2010 bis 2019 um zwölf Prozent, von 509 auf 569 Pkw pro 1000 Anwohner.

Dies lässt nicht nur die CO2-Einsparungen im Verkehrssektor stagnieren. Die Fahrzeuge nehmen auch immer mehr Platz im Stadtraum ein. Straßen sind häufig nicht mehr breit genug, damit zwei Fahrzeuge aneinander vorbeifahren können. Auf Parkplätzen und in Parkhäusern beanspruchen SUV schon mal zwei Stellplätze. Die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), ein Verein, dessen Richtlinien und Empfehlungen bei der Planung und Rechtsprechung hohes Gewicht haben, will dem nun Rechnung tragen.

In ihrem Entwurf für eine Neufassung der „Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs“ setzt die FGSV die Größen für Parkflächen herauf. Begründung: Die Abmessungen durchschnittlicher Pkw in Deutschland seien erheblich gestiegen. Deshalb hat die FGSV das sogenannte Bemessungsfahrzeug vergrößert; ein Modell, das jeweils eine Klasse von Fahrzeugen repräsentiert, die öffentliche Straßen befahren dürfen. Das Modell beläuft sich auf 85 Prozent eines Durchschnittsfahrzeugs. Beim Längsparken etwa müsste ein Stellplatz den neuen Abmessungen zufolge 15 Zentimeter breiter sein. Für Lastenräder gibt es neuerdings auch ein Bemessungsfahrzeug. Die Neufassung der Empfehlungen wird 2023 veröffentlicht. Dann wird auf sie in Gesetzen und Verordnungen des Bundes und der Länder verwiesen.

„Intransparente Strukturen verhindern Mitwirken der  Zivilgesellschaft“

Obwohl die FGSV keine öffentliche oder staatliche Stelle ist, haben ihre Regelwerke und Empfehlungen häufig für Planende einen bindenden Charakter. Denn im Fall eines Gerichtsverfahrens werden sie als „objektiver Stand der Technik“ anerkannt, Verwaltungen können sich so vor politischer Kritik und Regressforderungen schützen. Konrad Otto-Zimmermann, Kreativdirektor beim Kreativstudio The Urban Idea, moniert die Orientierung der FGSV an überkommenen Leitbildern. Die FGSV schreibe den „Status quo supergroßer und schwerer Pkw als Maßstab für Infrastrukturanlagen fest, die eine Lebenszeit von 40 bis 60 Jahren haben“. Die Vereinigung gehe „nicht normativ vor, indem sie Vernünftiges zum Standard erhebt, sondern eher reaktionär-konservierend“.

Otto-Zimmermann missfällt es auch, dass die Arbeit in den FGSV-Gremien unter Ausschluss der breiten Fachöffentlichkeit stattfindet. Dadurch sei ihre Arbeit nur für Insider transparent und nachvollziehbar. Damit liegt er auf einer Linie mit einem Diskussionspapier, das Oliver Schwedes herausgegeben hat, Professor für Integrierte Verkehrsplanung an der Technischen Universität Berlin. 

Es trägt den Titel „Straßenplanung wie zu Adenauers Zeiten?“ und thematisiert, dass die Geschichte der FGSV bis in die 1920er-Jahre zurückreicht und immer noch mit dem Leitbild der „Autogerechten Stadt“ verhaftet ist. Zudem sei der männlich dominierte Verein eng mit dem Bundesverkehrsministerium verwoben, seine Überarbeitungen kämen der realen Entwicklung nicht schnell genug hinterher. Und die intransparenten Strukturen verhinderten bis heute, dass auch die Zivilgesellschaft an allgemeinen Regelwerken mitwirken könne.

„Fahrzeugherstellern ist der deutsche Markt total schnurz“

Petra Schäfer ist Leiterin des Arbeitsausschusses für ruhenden Verkehr in der FGSV. Ihr sei es wichtig, mit den richtigen Abmessungen zu arbeiten, auch wenn sie dafür viel Kritik einstecken müsse, betonte Schäfer am Dienstag auf dem Symposium Feinmobilität an der Uni Kassel. Planer könnten im Bestand von den FGSV-Empfehlungen abweichen oder von neuen Parkplätzen absehen, wenn etwa der Straßenraum dafür beidseitig nicht ausreiche. Doch wenn Stellplätze neu eingerichtet würden, müssten die Autos auch draufpassen, denn: „Man kann die Autos nicht kleiner machen, keine Luft rauslassen.“ Stehe ein zu großes Auto auf einem kleinen Streifen, rage es in Straßen oder Bürgersteige hinein und beeinträchtige die Verkehrssicherheit.

Vor allem für Parkhäuser sei das Bemessungsfahrzeug wichtig, weil diese für eine Dauer von 30 Jahren gebaut werden. „Wenn Sie nicht mit dem richtigen Bemessungsfahrzeug arbeiten, werden Sie das Parkhaus in 15 oder 20 Jahren nicht mehr nutzen können“, sagte Schäfer. Derzeit müssten Bauten vor allem aus den 1970er- und 1980er-Jahren abgerissen werden.

Den Einwand eines Teilnehmers, es sei wenig sinnvoll, bei den Abmessungen den Maßen von SUV zu folgen, um Autobesitzer:innen wieder zu kleineren, leichteren und effizienteren Fahrzeugen zu bewegen, erwiderte Schäfer mit einem Appell an die Käufer:innen. „Wir müssen kleinere Autos kaufen.“ Von den OEM sei hingegen kein Umdenken zu erwarten: „Die Fahrzeughersteller arbeiten für einen globalen Markt, der deutsche Markt ist ihnen total schnurz.“

In Städten wie Freiburg haben die Verwaltungen bereits damit begonnen, größere und schwerere Fahrzeuge beim Bewohnerparken höher zu bepreisen als kleinere. Dies ist aus Sicht Schäfers ein sinnvolles Steuerungsinstrument. Wenn die Straßenverkehrsordnung (StVO) irgendwann Parkstreifen erlaube, auf denen das Parken besonders großer Vehikel verboten ist und dies auch von Ordnungskräften kontrolliert werde, sei sie „auch sofort dabei, andere Bemessungsfahrzeuge zu machen“. Bis dahin müssten gängige SUV jedoch auf Parkplätzen und in Parkhäusern Platz finden.

Kleineres Bemessungsfahrzeug für Feinmobilität?

Das neue, größere Bemessungsfahrzeug ist vom Bundesverkehrsministerium für Bundesfernstraßen bereits eingeführt. Für den ruhenden Verkehr muss es noch integriert werden. Jörg Thiemann-Linden vom Forum Mensch und Verkehr von der Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL) appellierte an kommunale Planer:innen, von ihrer Freiheit Gebrauch zu machen, vorhandene Parkplätze auch abzuschaffen. Konsens sei, dass der Raum für Kfz zugunsten von Fußgänger;innen, Feinmobilität und ÖPNV verkleinert werden müsse.

Thiemann-Linden stellte zudem die Frage in den Raum, ob nicht ein zweites, kleineres Bemessungsfahrzeug für die sogenannte Feinmobilität geschaffen werden könnte. Damit sind beispielsweise Fahrzeuge der Mikromobilität, Spezial- und Lastenräder oder elektrische Leichtfahrzeuge und E-Minicars gemeint. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) spricht in einem Bericht von Bewegungsmitteln „mit menschlichem Maß“. Kommunen könnten dann beispielsweise nur Parkplätze für kleinere Fahrzeuge anbieten, um Platz zu sparen. „Wenn man dann merkt, dass man mit seinem größeren Fahrzeug keinen Stellplatz mehr findet, ist das auch eine gewisse Lenkung des Verkehrs“, so Thiemann-Linden.  

Zwar sei es schon heute eigentlich verboten, dass Fahrzeuge über den Parkplatz hinausragen. Dies werde von den meisten Kommunen jedoch praktisch nicht verfolgt. Wichtig sei dabei die Verständlichkeit und Kontrollierbarkeit. Genau dies sahen mehrere Teilnehmer:innen nicht gegeben bei den Vorschlägen für ein Standardwerk zum Thema Feinmobilität, welche die Uni Kassel in Abstimmung mit dem VCD, dem SLR und Kreativdirektor Otto-Zimmermann erarbeitet hat. Sie schlagen darin statt statt des einen Bemessungsfahrzeugs „Pkw“ eine neue Kategorisierung von Fahrzeugen nach Größe, Gewicht und Geschwindigkeit vor. Dabei sollen die Fahrzeuge vom Rollschuh bis zum Wohnmobil in sieben Kategorien in Anlehnung an die Bekleidungsgrößen XXS, XS, S, M, L, XL und XXL eingeteilt werden.

„Regeln dürfen sich nicht alle Nase lang ändern“ 

Bei den Teilnehmerinnen stieß der Vorschlag überwiegend auf Skepsis. „Für mich ist es ganz schwer vorstellbar, wie geregelt werden kann, auf welchen Flächen was zugelassen ist“, sagte Alexander Thewalt vom Baudezernat der Stadt Ludwigshafen. Nötig seien einheitliche, verständliche Regeln, die sich „nicht alle Nase lang“ änderten. Er regte einen völlig neuen Ansatz an; so könnten etwa Fahrzeuge „nur innerhalb von gelben Ortsschildern“ zugelassen werden.

Auch FGSV-Vertreterin Petra Schäfer konnte mit den neuen Fahrzeugklassen nur wenig anfangen. Sie kritisierte die Vorschläge als kleinteilig und schwierig zu kommunizieren. „Wir brauchen klare, StVO-konforme Regeln, sodass alle Verkehrsteilnehmer verstehen, was sie dürfen und was nicht, und Ordnungskräfte eingreifen können.“

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